Ausstieg (schon) nach 100 Kilometern
Eigentlich wusste ich schon 2 Wochen vor dem Wettkampf in Gotha, dass es diesmal nicht klappen würde, 24 Stunden am Stück zu laufen. Etwas positiver formuliert könnte die Überschrift deshalb lauten, dass ich „erst“ nach 100 km ausgestiegen bin. Aber der Reihe nach.
Achillessehne 2.0
Alles fing an, als ich bei einem langen Vorbereitungslauf etwas Probleme mit der Achillessehne bekam. Das Thema ist nicht neu. Schon bei der Europameisterschaft in Verona musste ich nach rund 105 km mit starken Schmerzen, die sich bis ins Knie zogen, aussteigen. Damals war die linke Seite betroffen. In den Monaten danach half es, die Sehne täglich auf der Treppe zu dehnen und mit der Blackroll zu bearbeiten sowie die Muskulatur im Fitnesstudio zu kräftigen.
Deshalb machte ich diesmal das gleiche. Allerdings habe ich es dabei wohl etwas übertrieben. Statt der bewährten, großen Blackroll nutzte ich zusätzlich eine deutlich kleinere, die stärkeren Druck auf das Gewebe ausübt. Ich dachte, das wäre gut. Doch nach der Belastung durch die langen Läufe war das scheinbar zu viel. Beim letzten großen Trainingslauf kamen neue Schmerzen etwas weiter oben am Übergang zum Wadenmuskel hinzu. Wahrscheinlich hatte ich mir dort ein paar Muskelfasern „kaputt gerollt“?!
Jedenfalls musste ich den Trainingslauf nach rund 25 km abbrechen. Die Sehne war geschwollen und der darüber liegende Bereich auch beim Gehen schmerzhaft. Meine Hoffnung war nun, dass ich gerade noch rechtzeitig aufgehört habe. Doch nach 3 Tagen Pause spürte ich die Stelle immer noch. Später machte ich zwei kurze Testläufe, die sich aber nicht rund anfühlten, obwohl die direkten Schmerzen verschwunden waren.
Guter Anfang, frühes Ende
Trotzdem wollte ich in Gotha starten. Vielleicht würde ja alles halten. Einige Tage vor dem Rennen fuhr ich mit dem Zug zur Strecke und wanderte die Runde ab. Viel Schotter, etwas Asphalt, ein paar Höhenmeter und relativ viel Schatten durch die Bäume im Park. Das fühlte sich laufbar an.
Bis zum Rennen hielt ich die Füße still, um dem Körper die beste Chance zu geben, den angeschlagenen Muskel zu reparieren. Entsprechend gut ausgeruht und erholt ging ich an den Start. Bis etwa 50 km lief auch alles nach Plan. Doch dann bekam ich langsam, aber sicher das Gefühl, dass die rechte Seite zum Problem wird. Zwar gab es keinen direkten Schmerz an der Wade. Doch irgendwie lief ich als Ausgleichsbewegung die ganze Zeit unrund, was zu Schmerzen an anderen Stellen führte (Knierückseite und Oberschenkel).
Ab Kilometer 95 ging es rapide bergab. Das ist viel zu früh in einem Rennen, dass noch weitere 15 Stunden dauert. Meine Eltern waren extra angereist, um mich anzufeuern. Doch es nützte alles nichts. Mir wurde klar, dass es vorbei ist. Ich machte die 100 Kilometer voll, hielt an und setzte mich kurz auf eine Bank. Dann ging bzw. humpelte ich die Runde zu Ende. Keine Chance, überhaupt nochmal anzulaufen. Das rechte Bein war fertig.
Was ich daraus gelernt habe
Der Ausstieg war kein Kopf-Problem. Es war der Körper, der nicht mitgespielt hat. Allerdings wurde mir im Nachhinein bewusst, dass es letztlich eine ganze Reihe an Dingen war, die dazu führten, dass ich nicht optimal vorbereitet an den Start ging. Zusammen haben sie dazu geführt, dass selbst im besten Fall wohl nur ein mittelmäßiges Ergebnis möglich gewesen wäre.
Hier die gesammelte Liste, was beim nächsten Mal besser laufen muss. Die meisten Dinge wusste ich eigentlich schon, hatte sie aber nicht richtig ernst genommen:
● Frühes Commitment: Statt bis zum letzten Tag mit der Anmeldung zu warten, wie ich es diesmal gemacht habe, muss man sich lange vorher festlegen. Nur das schafft die notwendige Selbstverpflichtung, sowohl rechtzeitig als auch fokussiert mit dem Trainingsprogramm anzufangen.
● höherer Trainingsumfang: Ich hatte dieses Jahr einfach zu wenige Trainingskilometer. Für einen erfolgreichen 24-Stunden-Lauf muss man den Körper im Vorfeld an Extreme gewöhnen. So habe ich es früher auch gemacht. Etwa mit dem (wenn auch gescheiterten) Deutschlandlauf, dem Etappenlauf nach Auerswalde oder dem Long Run nach Fürth.
● lange Einheiten wirklich langsam laufen: Darauf hatte ich zu wenig geachtet. Langsames Laufen simuliert das Wettkampftempo und beugt Verletzungen vor. Zudem sollten alte Schuhe regelmäßig ersetzt und lange Läufe nur mit hochwertigen Currex-Sohlen absolviert werden.
● Training als oberste Priorität: Eine optimale Vorbereitung ist nur möglich, wenn das Training über Monate im Fokus bleibt. Das war diesmal nicht der Fall. Ich hatte im Frühjahr zu viele Aufträge, die abzuarbeiten waren. Das Arbeitspensum muss stattdessen auf ein Minimum reduziert werden. Denn auch Erholung und Zeit mit der Familie dürfen nicht zu kurz kommen.
● Verpflegung regelmäßig trainieren: Meine Verpflegungsstrategie funktionierte bis zum Ausstieg halbwegs. Doch es hätte auch besser sein können. Dazu müssen Magen und Darm an die Flüssignahrung gewöhnt werden. Das geht nur, wenn mein Malto-Fruktose-Mix bei allen langen Läufen und Radfahrten zum Einsatz kommt. Dabei können auch verschiedene Konzentrationen getestet werden.
● 3+ Tage Urlaub nach dem Rennen: Die Tage nach dem Wettkampf müssen komplett von jeglichen Verpflichtungen freigehalten werden. Nur so kann man sich auf maximale Leistung (und Quälerei) fokussieren. Ich hatte aber diesmal einen Artikel, der 2 Tage nach dem geplanten Wettkampfende abzugeben war, noch nicht fertiggestellt. Eine völlige Verausgabung hätte diesen Abgabetermin gefährdet. Solche Gedanken kann man im Rennen überhaupt nicht gebrauchen.
● Kleine Blackroll nicht mehr verwenden: Das dürfte offensichtlich sein 😉
Fazit
Ein 24-Stunden-Lauf muss wie ein Mammutprojekt vorbereitet werden. Man kann das nicht einfach aus dem Ärmel schütteln.